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Schwarz-weiß und analog, Teil 191: Snap It Like It's 1968

Film: Fomapan 100 #41, Kamera: Agfa Silette LK, September 2022

Der Vorteil an kleinen, leichten und kompakten Kameras - vor allem wenn sie aus der Zeit stammen, als alle mit Blumen im langen Haar nach San Francisco unterwegs waren - ist, dass sie klein, leicht und kompakt sind. (Ja, das war jetzt das, was der Fachmann eine Tautologie nennt, glaube ich! ;-)) Aber das und die Tatsache, dass man sie auf den Flohmärkten der Umgebung praktisch umsonst hinterher geworfen bekommt, sorgt dafür, dass man sie einfach mal eben so schnappen und mit auf eine kleine Fahrradtour nehmen kann, ohne groß Angst haben zu müssen, unterwegs eventuell irgendwas wirklich Wertvolles oder Unwiederbringliches kaputt zu machen.

So auch diese von den Features her eher spartanische Silette LK, deren Fotos ich heute vorstellen möchte. Agfa war damals noch ein wirkliches Schwergewicht, sowohl was kompakte Kameras als auch das dazugehörige Filmmaterial angeht. Diese Zeiten sind lange vorbei und daher kommt man sich bei der Verwendung einer solchen Schnappschusskamera schon ein bisschen anachronistisch vor. Das Ding hat nicht mal einen Entfernungsmesser. Das heißt, man muss entweder selber ein Messgerät mitbringen, was nicht immer ganz so praktisch ist - ich muss mal so einen kleinen Aufsteck-Messer für den Blitzschuh anschaffen - oder eben das tun, was man 1968 auch gemacht hat: Raten! Ich habe mich bei diesem Testfilm für letzteres entschieden und muss sagen, dass ich eigentlich durchweg gut damit gefahren bin. Ja, einige Bilder sind richtig unscharf, aber die meisten sind erstaunlich OK. Gut, da die schnellste Geschwindigkeit des Verschlusses bei 1/300s liegt, kommt man auch selbst mit einem ISO 100 Film schnell in den Blende-8-Bereich, in dem eigentlich alles scharf ist, selbst bei den eher normalbrennweitigen 45mm, die das verbaute Objektiv bietet.

Aber genug der Vorrede, hier jetzt ein paar Bilder, die ich auf einer der bereits oben angedeuteten Fahrradtouren gemacht habe. Es ging nach Siegburg, aber auf dem Weg habe ich am Kurpark angehalten und das übliche Foto vom Siegfried gemacht, der in diesem Foto aber leider ein bisschen als Kopfloser Reiter daher kommt. (1/60s, f/8.) Upsi! Hätte vielleicht doch noch ein bisschen vorspulen sollen, statt direkt drauf los zu fotografieren. Andererseits ist der Herr Siegfried ja von diversen anderen Bildern bekannt, die ich hier vorgestellt habe. Also kein schwerer Verlust. Wichtiger ist: Was ist der erste Eindruck, den man von der Bildqualität bekommt? Erstaunlich scharf und kontrastreich für ein Gerät, dass dieses Jahr so ungefähr 55 Jahre alt wird. Die f/8 helfen da natürlich und das viele Licht, das hier das Denkmal ausleuchtet, ist natürlich auch nicht falsch. Insofern also doch ein bisschen schade, dass Siegfried den Kopf verloren hat. ;-)

Das für mich Interessanteste an dieser Kamera ist wohl, dass das verwendete Objektiv sich bis f/2,8 öffnen lässt, was ich natürlich direkt mal schamlos ausgenutzt habe, auch auf die Gefahr hin, dass ich das Bild dadurch unscharf mache, weil ich ja - wie gesagt - die Fokus-Entfernung raten musste. Das Ergebnis ist aber eine Bank im Siegtal (unten bei der Kläranlage), die ein tolles Bokeh hat! (1/300, f/2,8.) Da kann man doch durchaus mit arbeiten, finde ich! Ein sehr stimmunsgvolles Foto, bei dem die kleine Silette mal richtig zeigen kann, was in ihr steckt. Die Bank ist gut scharf trotz Offenblende, der Hintergrund schön cremig. Würde mich interessieren, wie sich das auf einem zeitlich passenden quietschbunten Farbfilm darstellen würde. Hm, das wäre doch mal ein Projekt fürs Frühjahr: Einen von den abgelaufenen 200ern da rein und bei 100 durchbelichten... Erinner mich da mal einer dran, wenn die ersten Blumen raus kommen! ;-)


Der nächste Schnappschuss zeigt die Sieglindenbrücke, ein Versuch, ein bisschen Architektur in Szene zu setzen. (1/60s, f/11.) Mal wieder schief. Aber interessanter ist hier, wie scharf oder unscharf das Bild wird, wenn man so weit abblendet, wie ich es hier getan habe. Insgesamt wirkt das Bild hier ein bisschen weich. Ob das an einsetzenden Diffraktionseffekten liegt oder nur an der sehr günstig zu implementierenden viereckigen Blende, weiß ich natürlich nicht sicher. Aber wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem. Bei einem normal großen Abzug würde das kaum auffallen, erst wenn man mit moderner Technik auf die Pixelebene (oder sollte ich eher "Kristallebene des Films" sagen?) hineinzoomt, stellt man fest, dass das Bild nirgends so richtig scharf ist. Gut, es ist um einiges besser, als ich es grundsätzlich erwartet hätte. Man muss auch immer im Hinterkopf behalten, dass es sich zwar um eine schon etwas bessere Schnappschusskamera handelt, aber eben doch nur um eine Schnappschusskamera. Da kann man keine Wunder erwarten.

An dieser Stelle möchte ich vor allem anmerken: Das Ding funktioniert! Das ist ja nicht selbstverständlich, die Lebenszeit eines solchen Gerätes war damals schon nicht mehr auf "ewig" ausgelegt. Wir befinden uns hier nicht mehr im Zeitalter des Wirtschaftswunder, als Kameras noch teilweise aufgrund von Overengineering praktisch unzerstörbar waren. Gerade dieser "Sensor"-Auslöser war damals, Ende der '60er, Anfang der '70er der heiße Scheiß. Ich finde es also schon bemerkenswert, dass mechanisch alles an der Kamera funktioniert und nur der Selenzellen-Lichtmesser ausgebrannt ist! Aber zurück zu den Fotos.

Ein Mast im Nichts, mit einem Dingsbums dran. (1/60s, f/11.) Es gilt hier das Gleiche, wie für das Bild davor: Ausreichend scharf für das, was es ist, nämlich eine kompakte Kamera für Schnappschüsse. Die Qualität ist besser als erwartet, aber vielleicht ein bisschen weich - nicht wirklich unscharf, aber eben mit einer gewissen Retro-Qualität versehen. Aber das Rätsel, weshalb da ein halber Plastik-Kanister an den Pfahl genagelt ist, lüftet das auch nicht! ;-)

Nach den vielen Hochkantfotos habe ich das Siegwehr dann aber mal im normalen Breitformat aufgenommen. (1/125s, f/8.) Die Schärfe ist besser und wenn der Film eine höhere Auflösung hätte, könnte man den Reiher auf dem Wehr sicher auch noch besser erkennen. Dafür bietet dieses Foto eine Möglichkeit, über Dinge wie Verzerrungen und Abschattungen in den Ecken zu reden. Beides ist - zumindest bei dieser Blende - eher geringfügig, wenn überhaupt, sichtbar. Die Schärfe von Ecken und Rändern ist kaum anders als in der Bildmitte und nur ganz am Rand lässt sich feststellen, dass die Helligkeit überhaupt zu den Ecken hin abfällt. Bei f/8 erwarte ich allerdings auch kaum etwas anderes, denn das sollte so ziemlich genau die vorgesehene Arbeitsblende für diese Kamera gewesen sein: Sonne lacht, Blende acht.


Das Gleiche lässt sich auch beim Bild der Siegburger Abtei beobachten: Durchweg scharf genug, kaum wahrnehmbare Vignettierung und nur ganz außen links in der Hecke kann man ein bisschen Verzerrung und Verwischung erkennen. Das Color-Agnar-Objektiv ist sicherlich kein besonders gutes oder neumodisches Objektiv; ich nehme an, es handelt sich um eine Variante des dreilinisigen Tessars, aber dafür habe ich keine wirklichen Beweise, also nehmt diese Aussage nicht für bare Münze. Was ich sehe, würde aber ungefähr dazu passen. Auf jeden Fall bekommt man brauchbare Bilder damit hin, die dem Zeitalter entsprechen, aus dem diese Kamera stammt.

Wenn ich schon in Siegburg bin, muss ich natürlich einmal über den Marktplatz schleichen und die Victoria mitnehmen. (1/300s, f/4.) Bei höchster Geschwindigkeit und mäßig abgeblendetem Objektiv bekommt man gerade so ein bisschen Unschärfe in die Blätter im Vordergrund, während die Dame auf ihrem Sockel schön scharf daher kommt. Ihre Gesichtszüge, die Falten in ihrer Kleidung, die Federn in ihren Flügeln sowie die Blätter im Lorbeerkranz sind duchaus noch erkenn- oder zumindest erahnbar, selbst in dieser herunter gerechneten 4k-jpg-Version des Bildes, die ich hier ausstelle. (Die Auflösung des Films und des Scanners geben eh nicht viel mehr her. Aber schon ein bisschen.) Ich denke, dass zwischen f/4 oder f/8 also tatsächlich der Sweet Spot liegt, bei dem man diese Kamera betreiben will, möchte man möglichst scharfe und hoch aufgelöste Bilder haben. Alles darüber sorgt für einen leichten Weichzeichner durch Diffraktion, alles darunter bringt Probleme mit sich, wenn man die Entfernung nicht einfach auf unendlich stellen kann - oder so wie in diesem Beispiel mit 10 Metern doch schon sehr nah dran -, sondern tatsächlich was Vernünftiges raten muss. Wobei wir uns aber f/5,6 noch gar nicht angeschaut haben.

Das tun wir aber jetzt sofort im nächsten Bild: Die Abtei aus der Nähe. (1/300s, f/5,6.) Obwohl ich hier wohl laut meinen Aufzeichnungen vergessen hatte, eine Korrektur am Fokusring vorzunehmen, ist das Bild knackig scharf geworden. Also entweder stimmt meine Aufzeichnung nicht und ich habe das Bild doch nicht bei 5 Meter gemacht, oder die Schärfentiefe ist bei f/5,6 erstaunlich groß! Ich vermute einfach mal, dass ich Blödsinn notiert habe, denn die Details in den Fensterläden sind doch schon extrem hoch. Überhaupt ein ganz nettes Foto, so aus diesem Winkel, mit den drohenden Wolken dahinter. Gefällt mir. (Darüber haben wir in diesem Artikel noch gar nicht gesprochen, sondern nur über technische Details. Wird also mal Zeit.)


Eine schwierige Belichtung gegen das Licht in den Schatten der Mauer hinein erwartet uns im folgenden Foto. (1/60s, f/4.) Trotzdem kommt die Mauer recht gut raus, was natürlich auf Kosten des Himmels geht. Meine Absicht war hier, das Gegenlichtverhalten zu testen, und ich muss sagen, es ist gar nicht so schlecht. Ich hatte zumindest mit etwas Flare oder Ghosting gerechnet, aber weit und breit keine Spur. Und der Kontrast ist auch brauchbar. Gut, das Foto als solches ist jetzt nicht das spannendste, was ich je gemacht habe. Aber technisch einwandfrei.

Für das Hexentürmchen habe ich sehr lange warten müssen, bis die blöde Wolke sich endlich verzogen hatte und ich noch mal so richtig weit abblenden konnte. (1/60s, f/11.) Bei so viel Licht erscheint mir dieses Mal das Bild gar nicht so weichgezeichnet wie oben bei den Fotos mit f/11. Es scheint also auch ganz von der Situation abhängig zu sein, wie das Endergebnis schließlich aussieht. Trotzdem: f/5,6 war schärfer, oder?

Aber wie sieht es auf kurze Distanz aus? Das Licht ballerte voll in die efeuberankte Mauer hinein, da habe ich f/11 einfach mal stehen lassen und auf 1m fokussiert - das Minimum, das diese Kamera bietet. Das Ergebnis könnte schärfer sein. Wie gesagt, in normaler Abzug-Größe oder auch noch etwas darüber hinaus wie auf meinem 14"-Laptop-Bildschirm kann man sich nicht beschweren, aber zoomt man etwas hinein, wird es doch etwas weicher als man es bei einer "Makro"-Aufnahme gerne hätte. Gut, dafür war diese Kamera aber sicherlich auch nicht gedacht...


Ganz zum Schluss begegnete mir auf dem Heimweg noch dieser alt Ascona. (1/300s, f/5,6.) Und ja, f/5,6 gefällt mir glaube ich am Besten an dieser Kamera. Auf die kurze Distanz - 3 Meter hatte ich eingestellt - bekommt man auch noch die Andeutung eines leichten Bokehs im Hintergrund, gerade genug, um das Hauptmotiv ein bisschen hervor zu heben. Schönes Bild, eigentlich, wenn das nicht die Sucher-Parallaxe wäre. Darüber hatten wir noch gar nicht gesprochen: Da der Sucher relativ weit oben und links neben der eigentlichen Kameralinse sitzt, hat man bei den angepeilten 3 Metern doch schon relativ viel Parallaxe. Das heißt, ich hätte eigentlich noch ein bisschen weiter nach oben und links zielen müssen, um das gewünschte Motiv weiter mittig auf den Film zu bekommen. Aber hier handelte es sich wirklich im einen spontanen Schnellschuss, denn ich wollte das Bild im Kasten haben, bevor der Transporter dahinter mit Einparken fertig war. ;-)

Erstes Fazit: Eine ganz eigene Erfahrung, so etwas Rudimentäres wie diese Sucherkamera zu verwenden. Macht aber sichtbar Spaß! Ich denke, ich werde im Frühling tatsächlich mal einen alten Farbfilm da durch schicken, mal sehen, wie die Ergebnisse dann werden!

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