Skip to content

Meopta Flexaret VI Automat

Wenn es um sexy Kameras geht, sind TLRs auf jeden Fall ganz oben mit dabei. Mit ihren zwei Augen und dem allgemeinen Aussehen haben sie einfach den besten Retro-Faktor. In der Beziehung ist die Yashica 44 LM ja definitiv ein echtes Schmuckstück, aber leider etwas unpraktisch teuer in der tatsächlichen Nutzung, da 127 Rollfilme auf die Dauer viel zu sehr ein Nischenprodukt sind.

Deshalb habe ich ja schon länger nach einer TLR für "normalen" 120 Mittelformat-Rollfilm gejagt, insbesondere nach einer Flexaret. Diese von der tschechoslowakischen Firma Meopta bis in die 1970er gebauten Kameras sind nicht nur extrem robust und over-engineered, sie sind auch relativ günstig zu bekommen - im Gegensatz zu einer der diversen Versionen der Yashica 66, die ebenfalls auf meiner Liste standen. Aber vor allem, wenn man - so wie ich - nicht unbedingt so viel Wert auf das perfekte Aussehen legt, sondern einfach nur ein funktionierendes Stück Fotografie-Geschichte haben möchte, um damit Fotos zu machen. Außerdem sind TLRs selbst noch in einem leicht verwahrlostem Zustand sexy! ;-)


Denn selbst dieses leicht angeranzte Exemplar, das ich hier erstanden habe, ist trotz all der Fehler noch extrem hübsch anzusehen. Das gesamte Design mit dem grauen Pseudo-Leder und den aufstrebenden Streifen zwischen Aufnahme- und Sucherobjektiv erinnert mich sehr an den Film Metropolis aus den 1920ern. Irgendwie Futuristisch und doch total veraltet. ;-)

Jedenfalls bin ich froh, diese Flexaret VI Automat ziemlich günstig bekommen zu haben. Sie hat so ihre kleinen Macken, wie alles, was so uralt ist: Der Zentralverschluss ist etwas langsam und läuft bei Zeiten langsamer als 1/15 Sekunde nicht verlässlich ab. Aber immerhin läuft er überhaupt. Langsamer als 1/30 werde ich wohl kaum brauchen, auch nicht mit ISO 100 Film. Außerdem lässt sich der Sucher nicht mehr schließen, er hält nur noch mit einem Gummiband. Das macht aber nicht viel, kann ich mit leben. Blöder ist es da schon, dass die Mattscheibe einigen Dreck auf der Innenseite hat, an den ich nicht ran komme, ohne das gesamte Objektiv abzuschrauben - denn offenbar wollte schon der Vorbesitzer den Sucher reinigen, hat dabei aber alle Schrauben rundrum so ausgefressen, dass praktisch keine Schraubenköpfe mehr vorhanden sind. Könnte man jetzt natürlich vorsichtig mit dem feinsten Bohrer, den ich finden kann, ausbohren, aber so dringend muss das dann auch nicht sein. Wie gesagt, im Zweifel könnte man auch von vorne an Spiegel und Mattscheibe kommen.


Seit ich diese Fotos gemacht habe, habe ich sie auch ein bisschen gereinigt und die Belederung wieder angeklebt, damit sie wieder ein bisschen hübscher aussieht, wenn ich sie im Frühling bei hellerem Licht mal mit ins Feld nehme, um ein paar Aufnahmen zu machen. Bin auf jeden Fall gespannt, wie ich mit der Belichtung zurechtkomme: Natürlich hat diese Kamera keinen Belichtungsmesser. Dafür aber eine sehr interessante Mechanik im Verschluss: Auf der rechten Seite (bei Draufsicht von Vorne) gibt es eine Skala, an der man die momentanen Lichtverhältnisse anhand von Belichtungswerten (EV 3 bis 18) einstellen kann (Bild 1 ganz oben). Auf der anderen Seite kann man dann die Belichtungszeit (1s bis 1/500s in ganzen Blendenstufen, plus B) einstellen (Bild 2 ganz oben), wodurch automatisch die passende Blende eingestellt wird, da die beiden Ringe miteinander gekoppelt sind. (Wie man auf Bild 1 auch sehen kann, gibt es eine zweite Skala mit Blendenwerten am Objektivrand, an der man dann ablesen kann, was man eingestellt hat.) "Ungültige" Kombinationen lassen sich so gar nicht wählen, die Kamera hat praktisch eine manuelle "Programmautomatik", in der man mit dem Belichtungszeit-Hebelchen immer korrekte Wertepaare eingestellt bekommt. Die Kamera ist also definitiv für den Einsatz eines Belichtungsmessers gedacht, der einem EVs angibt, was damals ja nicht unbedingt selten war.

Die Flexaret VI ist das vorletzte Modell dieser Kamera, danach kam nur noch die VII, bevor Mitte der 1970er Jahre die Produktion eingestellt wurde. Zum Einen ging der Amateur- und Semi-professionelle Markt immer mehr an Spiegelreflexkameras verloren - sowohl in Richtung des Kleinbildformats (Amateure) als auch beim Mittelformat (Profis und solche, die sich dafür hielten) -, zum anderen wollte auch keiner mehr extra einen Belichtungsmesser mit sich rum schleppen. Die Kameratechnik wurde auch im Ostblock kleiner und schneller, da passte dieser Klotz nicht mehr ins Bild. Außerdem wurde das Werk wohl zusätzlich in dieser Zeit auf Militärprodukte umgestellt, zB Zielfernrohre und sowas; das war es dann leider für diese sehr tollen Kameras!


Optisch müssen die Flexarets wohl erstaunlich gute und scharfe Bilder liefern, insofern bin ich wirklich mal gespannt, was mich da erwartet und ob der Verschluss gut genug ist für Aufnahmen. Ansonsten muss ich den wohl mal auf machen und reinigen, auch wenn ich mich darum eher drücken wollen würde: Viel zu viele Einzelzeile, die man kaputt machen oder verlieren kann. Meine Sicht auf diese nahen Entfernungen ist ja auch nicht mehr so toll und meine Hände waren schon immer beide links! ;-) Aber ich bin erstmal guter Dinge, nachdem ich mal kräftig mit Druckluft durchgeblasen habe, laufen die Zeiten glaube ich wieder viel besser als vorher, da war wohl hauptsächlich Staub und Dreck drin. Das ist ja leider oft der Fall bei diesen alten Zentralverschlüssen, die außen an den Kameras angebracht sind und bei denen durch die Schlitze für die Hebel einfach alles eindringen kann, was in der Luft herum schwirrt.


Wie man sehen kann, sind die Linsen jedenfalls schön klar und und die Blenden-/Verschlusslamellen nur mäßig ölig. Das ist nach 50 bis 60 Jahren ja nicht bei allen Kameras der Fall. Ich kann allerdings nicht erkennen, ob die Objektive auch vergütet sind. Die Reflexionen sehen jedenfalls eher einfarbig weiß aus. Für ein paar s/w-Aufnahmen wird es aber schon reichen!

So, und zum Schluss noch ein paar Slow Motion Aufnahmen des Verschlusses. Da der mit 1/500s so viel schneller ist als der von der Beltica, bei dem ich diese Methode das letzte Mal versucht habe, musste ich die Handy-Kamera dann doch mal auf 960 fps stellen. Bei 24 fps abgespielt konnte ich dann die Frames zählen und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich ungefähr eine halbe Blende drauf rechnen muss, die der Verschluss langsamer läuft, als er es eigentlich sollte. Viel genauer kann ich es leider nicht eingrenzen, denn es scheint mir doch so, als ob das Handy auch bei 960 fps tatsächlich nur 240 fps aufnimmt und dann drei Bilder dazwischen interpoliert. Oder die Belichtungszeiten sind einfach so langsam gewesen, dass die Bilder so ineinander fließen.



Egal, ich werde es sehen, wenn ich die Kamera teste. So schlimm wird es schon nicht werden! ;-) Was ich aber auf jeden Fall noch brauch, bevor ich Fotos damit mache, ist ein Trageriemen. Das Ding ist nämlich ganz schön schwer und ich möchte es nicht die ganze Zeit in der Hand tragen müssen. Ein passendes Lederetui und/oder -riemen war leider nicht mit dabei. Ich habe eh den Eindruck, dass das gute Stück die letzten Jahrzehnte als Austellungsstück in einer Vitrine verbracht hat. Zu viel Licht und Wärme würde jedenfalls den Zustand der Belederung und des Verschlusses erklären.

PS: Die war übrigens im Vergleich ziemlich billig, weil sie mal wieder aus einem dieser Konvolut-Käufe stammt, die ich immer mal wieder tätige. Das scheint die meisten Leute abzuschrecken. So habe ich die Practika und die Beltica praktisch umsonst dazu bekommen, nebst noch anderen Teilen, die ich demnächst vielleicht auch noch vorstellen werde, obwohl sie nicht unbedingt in mein Metier fallen!

Minolta Dynax 5

Ich glaube, es ist mal an der Zeit, die Kamera meiner Frau hier vorzustellen. Die fällt zwar nicht unbedingt unter das Thema "Vintage" oder "Retro", denn sie ist ja erst 20 Jahre alt - also, die Kamera, jetzt ;-) -, aber da sie zur letzten Generation von Film-SLR gehört, die Minolta noch auf den Markt bringen konnte, ist sie trotzdem sehr interessant. Denn sie beinhaltet praktisch alle Features, die man sich wünschen kann. Autofokus und diverse Programme waren damals schon ein alter Hut, deswegen muss ich da ja eher weniger drauf eingehen. Aber zum Beispiel die Tatsache, dass das Minolta A Bajonett später nach dem Aufkauf der Fotosparte von Sony übernommen und als Sony Alpha wiederauferstanden ist, gehört schon eher in diese Kategorie. Das bedeutet nämlich auch, dass man neben den älteren Minolta-Objektiven aus den 1990ern auch moderne Sony-Objektive aus den 2000ern verwenden kann - theoretisch, ich habe keine, deshalb konnte ich es bisher noch nicht testen.


Das hat allerdings auch den Nachteil, dass die älteren Objektive noch immer relativ teuer sind, da sind nicht nur von der Bildqualität her extrem hochwertig sind, sondern eben auch noch hervorragend an allen Sony-Alpha-Kameras funktionieren. Ich schränke das mal bewusst auf die Bildqualität ein, denn mir persönlich ist die Verarbeitungsqualität etwas sehr plastiklastig. Das macht sowohl die Kamera als auch die Objektive extrem leicht, was durchaus ein Vorteil sein kann. Die Idee einer kleinen, leichten und trotzdem leistungsfähigen SLR mit hervorragenden Optiken erinnert mich hier sehr an die Olympus-OM-Serie, die eine ähnliche Philosophie verfolgt hat.

Aber alle Objektive, die keinen Blendenring haben, sind mir erstmal suspekt, denn so kann die Blende nur über die Kamera gesteuert werden. Die Dynax 5 hat hierfür ein kleines Drehrad neben dem Auslöser, und wenn ich klein sage, meine ich KLEIN. Für meine riesigen Grabscher ist diese Kamera fast schon zu klein und fragil; sie ist definitiv für kleinere Damenhände gebaut, wenn ich mal so chauvinistisch sein darf. Sorry, Männer haben halt größere Pfoten. Jedenfalls hat die Kamera tatsächlich nur dieses eine Einstellrad; wenn man sich also im manuellen Modus befindet, muss man zusätzlich die AV-Taste links am Kameragehäuse drücken, um die Blende einzustellen, denn dann ist das Drehrad alleine nur für die Belichtungszeit zuständig.


Schön ist hingegen, dass die Kamera Zeiten bis 1/4000s unterstützt. Gut, das war damals schon Standard, zumindest in dieser Preisklasse, aber erwähnen wollte ich es trotzdem. Zudem lassen sich Blenden und Zeiten in Halbblendenschritten einstellen, sodass man eigentlich immer eine passende Belichtung findet. Drittelblendenschritte wären zwar noch schöner gewesen, waren aber tatsächlich den oberklassigen Kameras vorbehalten. Wobei die in der Filmfotografie auch eher überflüssig sind, moderne Filme waren damals schon gut genug, um solche leichte Fehlbelichtungen gut wegstecken zu können.

Ein Feature, was meine Frau ja von Anfang an begeistert hat, ist das Eye-Start: Die Kamera stellt automatisch sofort scharf, sobald man sie vors Auge hält. Dafür ist ein kleiner Infrarot-Sensor neben dem Sucher zuständig. Der Nachteil ist: Wenn man vergisst, den Schalter auf Off zu schieben, sind die Batterien innerhalb kürzester Zeit leer. Der Stromverbrauch ist sowieso eines der größten Mankos dieser Kamera: Zwei Lithium-Batterien Typ CR2 sind nötig, um das gute Stück zu betreiben. Wir haben dann mal Akkus dafür angeschafft, denn die Dinger sind schweineteuer!


Original kam die Kamera im Kit mit einem 28-80mm f/3.5-5,6 Zoom. Das macht zwar auch sehr schöne Bilder, ist aber für meinen Geschmack etwas lichtschwach. Deswegen habe ich ja für wenig Geld eine feste Normalbrennweite beschafft, die jetzt standardmäßig da drauf ist. Das macht wirklich sehr schöne Bilder und ist mit f/1.7 so ziemlich das lichtstärkste, was ich bisher angeschafft habe - alle anderen 50mm, die ich habe, sind zwar mit f/1.8 minimal schwächer, aber zum Angeben muss das schon sein! :-D

Daneben steht noch ein Tamron Tele-Zoom 100-300mm mit f/5-6.3. Da lohnt sich dann wirklich schon ein ISO 400 Film! Das macht auch ganz nette Bilder, es ist allerdings seit Jahren nicht benutzt worden. Wahrscheinlich müsste ich da mittlerweile auch mal die Blende entölen. ;-)

Insgesamt begeistert mich diese Kamera immer wieder: Klein, leicht und tolle Fotos! Leider ist der Sucher etwas verfärbt, da ist wohl auch mit der Zeit irgendwelches Fett drauf gekrochen. Stört aber nur minimal und hat keinen Einfluss auf die Fotos. Ich benutze diese Kamera jedenfalls extrem gerne, sie lädt geradezu dazu ein, gleich mal einen ganzen Film zu verballern. Der AF ist sehr präzise und liegt mit den verschiedenen Messpunkten auch meist genau richtig. Belichtungsmessung lässt sich relativ einfach auf Knopfdruck von Matrix auf Spot stellen. Von Manuell über Zeit- und Blendenautomatik bis hin zum Vollprogramm ist auch alles dabei, wobei ich ja meist im Modus A bleibe. Die schnellen 1/4000s sind hervorragend, wenn man mit kleinen Blendenwerten auch im vollen Sommersonnenlicht Fotos machen will, um viel Bokeh zu bekommen. Dafür eignet sich das Minolta 50mm f/1.7 übrigens ganz hervorragend. Mein größter Minuspunkt ist das viele Plastik, das mich an der fortdauernden Langlebigkeit zweifeln lässt. Dem exzessiven Stromverbrauch haben wir ja durch die Verwendung von Akkus etwas entgegengewirkt. Die Akkus waren übrigens teurer als der Restwert der Kamera, was ich etwas unfair finde! Diese Kamera ist definitiv mehr wert als die 10 bis 20 Euro, die man bei eBay sieht! Natürlich sind die Dynax 7 und 9 die besseren Kameras, die 5 ist halt Mittelklasse. Aber das Preis-Leistungsverhältnis tendiert hier eindeutig zur 5, meiner bescheidenen Meinung nach.