Von weißen Walen und heiligen Gralen: Sony WM-D6C
Manchmal, alle paar Jahre, taucht ein weißer Wal auf. Hin und wieder hat man Glück und findet unter all den Plastikbechern einen heiligen Gral. So auch am Wochenende, als wir auf dem Rheinauenflohmarkt waren und ich eigentlich schon mit allem abgeschlossen hatte. Ich hatte meine Fototasche und obwohl ich einiges an Kameras gesehen habe, hatte ich nicht zugeschlagen, weil ich ja eh schon so viele habe.
Da, auf einmal, aus dem Augenwinkel, ein Gerät in einer Kunstledertasche, das ich bereits von weitem als einen Walkman erkennen konnte. Aber nicht irgendeinen Walkman! Nicht diese Dinger, die in den 1980ern und 90ern so billig von ostasiatischen Herstelleren auf den Markt geworfen wurden, deren Qualität bereits beim Verlassen der Fabrik fragwürdig war. Auch kein Walkman von Sony, bei denen man eigentlich immer einigermaßen sicher sein konnte, dass sie zumindest nicht die Kassetten fressen würden. Nein, ein Sony WM-D6C.
Das mag dem uneingeweihten jetzt wenig sagen, aber das ist so ziemlich das Beste, was man im Jahre 1985 kaufen konnte. Ein Teil, das nicht für pubertierende Jungs gedacht war, die damit im Bus auf dem Weg zur Schule ein bisschen Unterhaltung haben wollten. Ein Gerät für den mehr oder weniger professionellen Einsatz, das man als Reporter mit sich führte, um damit qualitativ hochwertige Aufnahmen anzufertigen, deren O-Ton man dann im Radio senden konnte. Darüber gab es eigentlich nur noch das Modell mit den analogen Aussteuerungsanzeigen, das nicht nur Unobtainium ist, sondern dementsprechend auch - falls es dann doch mal auf einer der üblichen Plattformen auftaucht - so teuer ist, dass man es sich nur als Sammler leisten kann, um es in den Schrank zu stellen.
Was macht das Teil so besonders? Zum Einen natürlich die Aufnahmefunktion. Kaum ein portabler Kassettenspieler hatte eine solche. Ich habe als Blag immer davon geträumt, sowas zu haben. Warum war mir selber nicht ganz klar. Ich wollte einfach unterwegs die Möglichkeit haben, was aufzunehmen, was nachher nicht nach Diktiergerät klingt. Hier ist dieses Teil kaum zu schlagen: Es gibt einen Mikrophon-Eingang, der sogar mit Strom versorgt wird und vorverstärkt werden kann. Eine Aussteuerungs-Möglichkeit - in Form einiger LEDs auf der Vorderseite und eines Reglers links - ist auch vorhanden. Ein eingebautes Mikrophon fehlt allerdings, das Ding war wirklich nicht zum Diktieren gedacht, sondern für professionellen Einsatz. Deswegen auch das Branding als Professional Walkman.
Aber das ist nicht alles. Auf der Rückseite befinden sich Line-Level-Schnittstellen, sowohl für Input als auch für Output. Daneben kann man es auch mit Gleichstrom aus einem Netzteil versorgen, was jetzt zugegebener Maßen nicht so selten ist. Zusammengenommen bedeutet das aber, dass man theoretisch auch ein Tapedeck komplett ersetzen konnte, denn alle nötigen Funktionen sind vorhanden. Mit dem zusätzlichen Vorteil, dass man es abstecken und mitnehmen kann.
Zu dem Thema sei allerdings gesagt: Das Case mit Gurt ist ernst gemeint, denn im Vergleich zu einem normalen Walkman dieses Zeitalters wiegt es auch gut das Dreifache, schätze ich mal. Einfach so mitnehmen ist da nicht. Das Gewicht kommt zum Einen von der professionellen Verarbeitung, zum Anderen aber auch an den eher hochwertigen Komponenten wie einem Vollmetall-Schwungrad. Dementsprechend nehme ich auch keine Gleichlaufschwankungen wahr, wenn ich mich bewege. Das war sicherlich ein großer Vorteil für den angedachten Einsatzbereich. Schließlich will man auch Leute interviewen können, die versuchen, vor einem wegzurennen.
Was mich dann auch zum Ende meines kleinen Reviews bringt: Leider funktioniert mein Gerät nur halb, aber das reicht bereits, um mich von der Qualität dieses Gerätes zu überzeugen. Abspielen von Kassetten funktioniert hervorragend. (Aufnahme habe ich noch nicht getestet.) Aber vor- und zurückspulen geht nicht. Der Motor dreht sich, aber nichts passiert, und dann gibt es irgendwann auf, weil es denkt, die Kassette wäre bereits am Ende angekommen. Ich nehme an, das Gummi muss ausgetauscht werden. Sollte nicht zu schwer sein, aber bisher habe ich keine Zeit gehabt. Und Abspielen reicht ja auch erst mal.
Die Tonqualität ist erstaunlich: Ich wusste gar nicht, dass meine alten Kassetten so gut klingen. Wir sind von diesem ganzen 42-mal durchkomprimierten Streamzeugs ja mittlerweile so abgehärtet, dass eine echte analoge Aufnahme direkt aus der Masse heraus sticht. Ich mein, die alten Platten von meinem Bruder, die ich mit dem lettischen Plattenspieler und der mittelmäßigen Fisher-Anlage auf die standard-Chromdioxid-Bänder kopiert habe, ohne so richtig auf alles zu achten, was man da einstellen kann und muss, sind vielleicht nicht die beste Test-Suite. Aber! Klare Höhen, knallige Bässe, saubere Mitteltöne - alles ohne an einem Equalizer drehen zu müssen. Und dabei habe ich nur den eher günstigen Gaming-Kopfhörer auf.
Ach ja, zur Verbesserung der Tonqualität unterstützt das Teil neben Dolby-B sogar Dolby-C, das es ja schon seit einigen Jahrzehnten nicht mehr in Neugeräten gibt, weil Dolby keine Lizenzen mehr heraus rückt! Gut, bringt mir jetzt nicht viel, weil mein Tapedeck kein C konnte. Das ist tatsächlich das einzige Gerät im Haus, das Dolby C kann. So ca. 30 Jahre nachdem man das hätte brauchen können! Ach ja, und wenn man es eilig hat, kann man das Band auch noch bis zu 10% schneller laufen lassen. Oder auch 10% langsamer.
Fazit: Ich habe noch immer ein schlechtes Gewissen, dass ich der Frau nur 30€ in die Hand gedrückt habe. Ich wusste nicht, dass die Dinger (auch im halb funktionstüchtigen Zustand) so viel Geld bringen!
Da, auf einmal, aus dem Augenwinkel, ein Gerät in einer Kunstledertasche, das ich bereits von weitem als einen Walkman erkennen konnte. Aber nicht irgendeinen Walkman! Nicht diese Dinger, die in den 1980ern und 90ern so billig von ostasiatischen Herstelleren auf den Markt geworfen wurden, deren Qualität bereits beim Verlassen der Fabrik fragwürdig war. Auch kein Walkman von Sony, bei denen man eigentlich immer einigermaßen sicher sein konnte, dass sie zumindest nicht die Kassetten fressen würden. Nein, ein Sony WM-D6C.
Das mag dem uneingeweihten jetzt wenig sagen, aber das ist so ziemlich das Beste, was man im Jahre 1985 kaufen konnte. Ein Teil, das nicht für pubertierende Jungs gedacht war, die damit im Bus auf dem Weg zur Schule ein bisschen Unterhaltung haben wollten. Ein Gerät für den mehr oder weniger professionellen Einsatz, das man als Reporter mit sich führte, um damit qualitativ hochwertige Aufnahmen anzufertigen, deren O-Ton man dann im Radio senden konnte. Darüber gab es eigentlich nur noch das Modell mit den analogen Aussteuerungsanzeigen, das nicht nur Unobtainium ist, sondern dementsprechend auch - falls es dann doch mal auf einer der üblichen Plattformen auftaucht - so teuer ist, dass man es sich nur als Sammler leisten kann, um es in den Schrank zu stellen.
Was macht das Teil so besonders? Zum Einen natürlich die Aufnahmefunktion. Kaum ein portabler Kassettenspieler hatte eine solche. Ich habe als Blag immer davon geträumt, sowas zu haben. Warum war mir selber nicht ganz klar. Ich wollte einfach unterwegs die Möglichkeit haben, was aufzunehmen, was nachher nicht nach Diktiergerät klingt. Hier ist dieses Teil kaum zu schlagen: Es gibt einen Mikrophon-Eingang, der sogar mit Strom versorgt wird und vorverstärkt werden kann. Eine Aussteuerungs-Möglichkeit - in Form einiger LEDs auf der Vorderseite und eines Reglers links - ist auch vorhanden. Ein eingebautes Mikrophon fehlt allerdings, das Ding war wirklich nicht zum Diktieren gedacht, sondern für professionellen Einsatz. Deswegen auch das Branding als Professional Walkman.
Aber das ist nicht alles. Auf der Rückseite befinden sich Line-Level-Schnittstellen, sowohl für Input als auch für Output. Daneben kann man es auch mit Gleichstrom aus einem Netzteil versorgen, was jetzt zugegebener Maßen nicht so selten ist. Zusammengenommen bedeutet das aber, dass man theoretisch auch ein Tapedeck komplett ersetzen konnte, denn alle nötigen Funktionen sind vorhanden. Mit dem zusätzlichen Vorteil, dass man es abstecken und mitnehmen kann.
Zu dem Thema sei allerdings gesagt: Das Case mit Gurt ist ernst gemeint, denn im Vergleich zu einem normalen Walkman dieses Zeitalters wiegt es auch gut das Dreifache, schätze ich mal. Einfach so mitnehmen ist da nicht. Das Gewicht kommt zum Einen von der professionellen Verarbeitung, zum Anderen aber auch an den eher hochwertigen Komponenten wie einem Vollmetall-Schwungrad. Dementsprechend nehme ich auch keine Gleichlaufschwankungen wahr, wenn ich mich bewege. Das war sicherlich ein großer Vorteil für den angedachten Einsatzbereich. Schließlich will man auch Leute interviewen können, die versuchen, vor einem wegzurennen.
Was mich dann auch zum Ende meines kleinen Reviews bringt: Leider funktioniert mein Gerät nur halb, aber das reicht bereits, um mich von der Qualität dieses Gerätes zu überzeugen. Abspielen von Kassetten funktioniert hervorragend. (Aufnahme habe ich noch nicht getestet.) Aber vor- und zurückspulen geht nicht. Der Motor dreht sich, aber nichts passiert, und dann gibt es irgendwann auf, weil es denkt, die Kassette wäre bereits am Ende angekommen. Ich nehme an, das Gummi muss ausgetauscht werden. Sollte nicht zu schwer sein, aber bisher habe ich keine Zeit gehabt. Und Abspielen reicht ja auch erst mal.
Die Tonqualität ist erstaunlich: Ich wusste gar nicht, dass meine alten Kassetten so gut klingen. Wir sind von diesem ganzen 42-mal durchkomprimierten Streamzeugs ja mittlerweile so abgehärtet, dass eine echte analoge Aufnahme direkt aus der Masse heraus sticht. Ich mein, die alten Platten von meinem Bruder, die ich mit dem lettischen Plattenspieler und der mittelmäßigen Fisher-Anlage auf die standard-Chromdioxid-Bänder kopiert habe, ohne so richtig auf alles zu achten, was man da einstellen kann und muss, sind vielleicht nicht die beste Test-Suite. Aber! Klare Höhen, knallige Bässe, saubere Mitteltöne - alles ohne an einem Equalizer drehen zu müssen. Und dabei habe ich nur den eher günstigen Gaming-Kopfhörer auf.
Ach ja, zur Verbesserung der Tonqualität unterstützt das Teil neben Dolby-B sogar Dolby-C, das es ja schon seit einigen Jahrzehnten nicht mehr in Neugeräten gibt, weil Dolby keine Lizenzen mehr heraus rückt! Gut, bringt mir jetzt nicht viel, weil mein Tapedeck kein C konnte. Das ist tatsächlich das einzige Gerät im Haus, das Dolby C kann. So ca. 30 Jahre nachdem man das hätte brauchen können! Ach ja, und wenn man es eilig hat, kann man das Band auch noch bis zu 10% schneller laufen lassen. Oder auch 10% langsamer.
Fazit: Ich habe noch immer ein schlechtes Gewissen, dass ich der Frau nur 30€ in die Hand gedrückt habe. Ich wusste nicht, dass die Dinger (auch im halb funktionstüchtigen Zustand) so viel Geld bringen!
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