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Nikkor AF 35-70mm 1:2.8 (im Kurpark)

Ich hege ja bekanntermaßen eine gewisse Abneigung gegen Zoom-Objektive. Das liegt zum großen Teil daran, dass ich mir in meiner wilden Jugend ja nicht unbedingt das beste Glas leisten konnte. Das 35-70 3.3-4.5, das ich damals im Kit zu meiner F-601 bekommen hatte, war ja auch (für ein Nikkor) eher von fragwürdiger Qualität, auch wenn es sein Dienste gut verrichtet hat, bevor ich es vom Tisch gekegelt und somit gekillt hatte. Danach hatte ich ein ebenso kleines und leichtes wie bescheidenes Exakta als Ersatz. Damit waren Fotos durchaus möglich, besonders damals in der analogen Zeit, aber wenn ich das heute auf die D800 schraube, lacht die sich tot! ;-)

Jetzt kam da ein interessantes Angebot bei ehBlöd vorbei: Eine F-801s mit zwei Objektiven. Gut, eine 801 wollte ich eh schon länger mal haben, um sie mit der F90 vergleichen zu können. (Dazu später mehr.) Eines der beiden Objektive, die in diesem kleinen Konvolut drin waren, war ein Nikkor AF 35-70mm 1:2.8. Das ist ein Objektiv, das sich nur schwer mit den kleinen Kit-Zooms vergleichen lässt, die ich in meiner Jugend benutzt habe. Das war damals sowas wie der feuchte Traum eines jeden Hobby-Fotografen. Denn das Teil ist echt krass, so zumindest die einhellige Meinung damals (und scheinbar auch heute noch, wenn man das Internet befragen geht).


Gut, es wiegt auch in etwa so viel wie ein kleiner Tieflader. Vollmetall-Gehäuse und reichlich Glas. Die ganze Verarbeitung schreit einen förmlich an: "Ich bin ein Stück Präzisions-Technik und Amateure kriegen mich eh nie in die Finger!" Nun ist es aber gut 40 Jahre später und ich habe das ganze Bundle aus Kamera und zwei Objektiven für nur minimal über meinem eigentlichen Limit von 50 Euro bekommen. Ich rechtfertige das einfach mal damit, dass ich gleich noch zwei andere Teile dazu bekommen habe. Diese Kombination aus Objektiv und Kamera hat jedenfalls damals, zu Beginn der Autofokus-Ära am Ende der 1980er, ungefähr so viel gekostet wie der Gaming-PC vom Kunden, den ich ihm letztens zusammengestellt habe. (Adjusted for inflation). (Dass die F-801 eine völlig unterbewertete Kamera ist, darauf werde ich noch in einem separaten Artikel zu sprechen kommen.)

Was macht dieses Objektiv so besonders? Nun, zum einen die weite Öffnung von f/2,8 über den gesamten Brennweitenbereich hinweg. Gut, der ist jetzt nicht so groß, es handelt sich schließlich um ein Normal-Zoom mit gerade mal 2x. 35mm ist eine gute Brennweite, 50mm kann man immer gebrauchen, und 70mm ist für Portraits zwar eigentlich noch etwas kurz, aber ausreichend, wenn man gerade nichts anderes zur Hand hat. Aber die eigentliche Stärke dieses Objektivs liegt in seiner unglaublichen Schärfe und dem Fehlen praktisch jeglicher Chroma-Fehler. Ich weiß nicht, womit die dieses Ding damals vergütet haben, aber es muss schon das beste an Beschichtung gewesen sein, was es damals gab. Selbst auf meiner D800 mit ihren 36 Megapixeln sehe ich praktisch keine Farbsäume, selbst wenn ich 1:1 in das Bild hinein zoome. Zudem ist es einfach nur scharf. Man merkt tatsächlich erst, dass man auf der Ebene der Sensorauflösung angekommen ist und das Pixelrauschen sieht, dass es nicht mehr weiter geht. Hier steht es dem sehr viel moderneren 24-120, das ich mit der Kamera zusammen bekommen habe, in nichts nach, vor allem schon bei Offenblende. Nun hat das moderne aber leider auch aufgrund seines riesigen Zoom-Umfangs auch gewisse Verzerrungsprobleme, wie ich letzten bei den Hochhäusern in Frankfurt sehen konnte. Sowas hat dieser kleine Bruder nicht! Oder fast nicht. Ich müsste es mal unter den gleichen Bedingungen testen, also viele gerade Linien und Fluchtpunkte und sowas. Ebenfalls sehe ich praktisch keine Abschattungen an den Ecken: Das Bild ist - egal bei welchem Zoom-Faktor - überall gleich hell. Zumindest bei dem Wetter, das wir zur Zeit haben. Wenn das nächste Mal ein blauer Himmel zu sehen ist, werde ich mal ein Himmel-Bild machen, dann werden wir es ja genauer sehen.

Ich bin nach diesem ersten Test jedenfalls hin und weg, auch wenn man sich diese Leistung eben mit einem gewissen Gewicht und einer nicht unerheblichen Größe erkauft. Das Teil ist schwer und groß! Selbst eingefahren kommt es gut an die Länge meines 200mm AI ran. Wenn man dann auf 35mm raus zoomt, verlängert es sich noch einmal gut um die Hälfte. (Bei 35mm kann man es übrigens noch durch einen Druck auf eine silberne Taste in den Makro-Modus umschalten, der ebenfalls ganz brauchbar ist, allerdings keine Autofokus bietet.) Es ist also durchaus kein Platzgewinn, wenn man es statt eines einzelnen 35mm und eines 85mm mit nimmt. Man spart sich einfach nur den Wechsel zwischen den beiden und hat halt auch noch die dazwischen liegenden Brennweiten parat. Ein Normal-Zoom eben, aber mit extrem brauchbarer Abbildungsleistung. Und das alles nur zum Preis einer Blende Verlust!


Hier mal ein paar Test-Fotos aus dem Kurpark. (Auch hier werde ich aus den restlichen Bildern noch einen eigenen Artikel zimmern.) Da waren zum Beispiel die Enten, die mich direkt wieder belagert haben, während ich versucht habe, ein paar Beauty Shots der Kamera hin zu bekommen. ;-) Das linke der beiden ist ein 1:1 crop aus der Mitte des Bildes und ich sag mal so: Schärfer geht es kaum. Und am Übergang zwischen dem weißen Gefieder und dem dunklen Hintergrund würde ich ja direkt viel mehr Farbsäume erwarten, aber da ist so gut wie nichts. Wie haben die in den 1980ern dieses Objektiv gerechnet, dass da praktisch nichts an Fehlern zu sehen ist? Da müssen wohl schon die ersten "schnellen" Computer zum Einsatz gekommen sein, die es damals endlich gab. (Ich weiß nicht, ob nicht in den 1970ern schon die ersten Minicomputer zum Einsatz kamen, um Optiken zu berechnen. Da müsste mir mal jemand helfen, der in dem Bereich gearbeitet hat. Ich nehme aber an, dass ab der Mitte der 1980er so viel Rechenleistung zur Verfügung stand, dass man da auch mal ein bisschen länger dran rum optimieren konnte, ohne die Entwicklungszeit unnötig in die Länge zu ziehen.)

Was das Bokeh angeht, habe ich mal das Fahrrad, das im Laub am Treppenaufgang herum lag, mit hier rein genommen, denn es ist weit offen und auf der weitwinkeligsten Einstellung entstanden. Und ich finde, der Hintergrund sieht trotz des eher unruhigen Laubs auf dem Boden recht gut aus. Könnte gerne noch ein bisschen weicher sein, aber das ist mit f/2,8 halt nicht machbar. Ich muss allerdings sagen, dass es der 35er Festbrennweite, die ich habe, kaum nachsteht. Mir gefällt es gut.


Als Beispiel für Makro-Fotografie habe ich hier dann noch dieses Zaunspanndingsbums dazu genommen. Ebenfalls weit offen, was eigentlich im Makro-Bereich ein No-No ist, verbleiben im Hintergrund praktisch nur nur Flächen, während das Motiv (in der Schärfeebene) absolut brauchbar ist. Man kann den Makro-Modus also durchaus benutzen, auch wenn das Ergebnis hier nicht ganz so scharf ist, wie bei "normalen" Entfernungen. Gut, wie gesagt, eigentlich sollte man Makros eh immer so weit wie irgend möglich abblenden, um mehr Schärfe zu bekommen, aber das Ergebnis ist so doch auch schon sehr faszinierend!

Mein (vorläufiges, weil noch nicht bei gutem Wetter getestet) Fazit: Ein tolles Objektiv, dessen Leistung weit über das hinaus ragt, was ich normalerweise von einem Zoom erwarte. Erkauft wird das ganze mit Gewicht und Volumen. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dieses Objektiv als Standard-Linse zu verwenden; zumindest damals in den frühen 1990ern hätte ich mir sicher die Finger danach geleckt! Auch heute macht es eine überragenden Eindruck auf meiner Digitalen und wenn ich weiß, dass ich keine anderen Brennweiten brauchen werde, könnte ich mir durchaus vorstellen, die Festbrennweiten mal zu Hause zu lassen! Der Zoom-Umfang ist halt wirklich nicht so groß, wie man das heute gewöhnt ist, aber die Qualität der Bilder spricht für sich! An diesem Exemplar hier scheint allerdings der "Kopf" des Stangenatriebs für den Autofokus etwas ausgefressen zu sein, denn manchmal greift die D800 nicht richtig - aber seltsamer Weise nur die; alle mein (diversen) anderen Nikons scheinen keine Probleme zu haben... Mit etwas gutem Zureden geht es allerdings fast immer.

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