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Casio SF-4000 Digital Diary

Hatte ich erzählt, dass ich letztens, als wir das Büro vom Chef ausgeräumt haben, noch anderen (technischen) Blödsinn mit genommen habe? Wenn nicht, dann wird es höchste Zeit! Deswegen möchte ich heute ein faszinierendes Stück altertümlicher Technik vorstellen, über dass sich die Blagen heutzutage wahrscheinlich scheckig lachen würden, wenn ich denen erzähle, dass wir sowas tatsächlich verwendet haben! Die haltend as wahrscheinlich für einen schlechten Witz!

Es begab sich also im Jahre 1987 oder 1988 oder sowas, also sagen wir mal so, vor etwa 35 Jahren. Dinosaurier beherrschten die Erde. Also, nicht ganz, aber Ronald Reagan war noch Präsident und Helmut Kohl hatte noch immer seine Brille aus den 1970ern auf der Nase. Das Wort "Digitalisierung" hatte noch niemand erfunden, aber die Firma Casio, wie es sich für ein japanisches Technologie-Unternehmen gehört, brachte einen Personal Organizer auf den Markt, nannte ihn Digital Diary und gab ihm die Bezeichnung Casio SF-4000.


Ich hab ihn mit genommen. Ich kann sowas ja nicht in den Müll wandern lassen (vor allem nicht mit den drei Knopfzellen, die seit mindestens zwei Jahrzehnten leer sind). Also habe ich ihm vor 'ner Woche oder so die Rückwand abgeschraubt und festgestellt, dass ich keine CR2025 im Hause habe. Die habe ich heute vom Discounter mit dem A mitgebracht und eingelegt. Zack, geht die Kiste wieder! Dass man die Speicher-Verwirrung nur mit dem Reset-Knopf auf der Rückseite beheben kann (RESET), habe ich natürlich erst gemerkt, nachdem ich ihn wieder zusammen gesetzt hatte. ;-)


Man beachte: Das Ding kann offensichtlich Japanisch! Im korrumpierten Telefon-Speicher tauchen ein paar entsprechende Zeichen auf. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie man Japanisch eingeben würde, denn hier handelt es sich offensichtlich um die Europäische/Amerikanische Version. Wahrscheinlich waren die Programmierer damals aber schon klug genug (faul), nur eine Firmware zu entwickeln. (Auch das Wort gab es damals noch nicht. Man sollte vielleicht von ROM sprechen.)

Jedenfalls: Man schaltet die Kiste an und sie geht. Faszinierend. Nach den langen Jahren, die es nur in der Ecke gelegen hat. Aber fassen wir erst Mal zusammen, was es kann: Es hat 32 Kilobyte Speicher. Das sollte einem ja schon klar machen, um welches Zeitalter es sich hier handelt. So steht es jedenfalls in der gescannten Betriebsanleitung, die es sicher ganz legal auf den üblichen Manual-Download-Seiten zu finden gibt. Es kann Telefonbucheinträge verwalten (aber nur Nummern, keine Adressen). Es kann einen Kalender anzeigen, der zwischen 1901 und 2099 funktioniert, angeblich. Es kann Termine verwalten. Und es kann Memos, die man natürlich händisch über die nicht besonders brauchbare, viel zu weiche Tastatur eintippen muss. Und das wars auch dann im Großen und Ganzen. Also, wenn man mal vom Taschenrechner absieht.


Telefonbuch und Memo sind mehr oder weniger uninteressant. Wenn man mal von der Verrenkung absieht, die man machen muss, um was einzugeben. Man merkt, dass das Ding gebaut wurde, bevor man sich über sowas wie ein Interface-Design Gedanken machen musste. Soll heißen: Man hat zwar ein normales Tastenlayout (englisch), aber Shift und Space liegen irgendwo am rechten Rand. Und es gibt dedizierte Tasten für die Dateneingabe, aber keine eigentliche Enter-Taste. Verwirrend. Wenn man also einen Telefonbucheintrag machen möchte, muss man erst in den TEL-Modus wechseln, also die entsprechende Taste unter dem Display drücken, dann DATA IN/OUT und widersinnigerweise auf die erscheinende Frage nicht mit Ja oder Nein antworten, sondern einfach mit dem Namen loslegen. Dann SET, um den Namen zu bestätigen, und die Nummer eintragen. Dann wieder SET und die selbe Frage erscheint wieder. Dann kann man mit der DATA IN/OUT Taste die Eingabe beenden. Oder eben den nächsten Namen eintragen.

Bei den Memos geht man entsprechend vor. Bei all diesen Eingaben ist die Tastatur und die Suche nach dem Space das größte Problem. Und dass das Display keinen automatischen Umbruch machen kann. Schon etwas albern, das hätte man 1988 auch schon programmiert bekommen. Sieht dementsprechend etwas seltsam aus, was ich da als Test eingegeben habe. Nur sonst müsste man haufenweise Spaces dazwischen nageln, was dem eh schon geringen Speicherplatz noch mehr aufbürden würde.


Um einen Eintrag in den Kalender zu machen, muss man ebenfalls entsprechend umständlich vorgehen. Das waren noch Zeiten, in denen die Hersteller erwartet haben, dass man die Bedienungsanleitung liest und sich vor allem auch merkt! Nämlich: Um zu einem bestimmten Datum zu springen, tippt man im Taschenrechner-Modus zuerst die Jahreszahl ein. Dabei ist heutzutage zu beachten, dass man diese in vier Stellen angeben muss; gibt man zB nur 23 an, landet man bei 1923. Japp, das stammt noch aus dem letzten Jahrtausend, das Ding! ;-)

Also geben wir 2023 ein, drücken DATE rechts neben dem Display, ebenfalls in der Taschenrechner-Tastatur. Sodann kann man den Monat eingeben und ebenfalls mit DATE bestätigen. Und ja, Sie haben richtig geraten, genau so gibt man auch den Tag ein. Daraufhin rechnet das Teil einem aus, dass es sich mein 31. 12. 2024 um einen Sonntag handelt. Cool. Drückt man jetzt die CALENDAR-Taste, landet man im Kalender genau an diesem Tag. Drückt man jedoch auf SCHEDULE, kann man einen Termin eintragen. Die Eingabeprozedur ähnelt hier der oben für das Telefonbuch. Hat man das erfolgreich geschafft, erscheinen zwei fette Punkte neben dem Datum im Kalender. Cool.

Die meiner Meinung spannendste Funktion ist jedoch die Möglichkeit, die Anzahl der zwischen zwei beliebigen (unterstützen, siehe oben) Datumsangaben vergangenen Tage zu berechnen:


Einfach wie oben beschrieben ein Datum in den Taschenrechner eingeben, dann aber statt CAL oder SCHED einfach das Minus drücken und ein weiteres Datum eingeben. Danach das Gleichheitszeichen und Zack: Ich bin am 29.12. genau 17689 Tage alt. (Götter, lieber nicht drüber nachdenken.) Wie aber jeder Informatiker oder Software-Ingenieur weiß: Datums-Berechnungen können beliebig kompliziert sein! Ich würde dem Ding also nur bedingt trauen. Wer weiß, was die Casioaner sich in den 1980en so an Datums-Bibliotheken selber zusammen gehackt haben. Wahrscheinlich unterstützt das deshalb nur 1901 bis 2099. ;-) (Ist bei den meisten alten PC-BIOSn ja ähnlich.)

Was ich übrigens schwer vermisse, ist eine Uhr! Ich denk die ganze Zeit: "Wie stelle ich denn hier die Real Time Clock?" Und stelle dann fest: Gar nicht, gibt's nicht. Das eine Feature, das das Ding irgendwie sinnvoll gemacht hätte. Dass es einen am 31.12.2023 auch tatsächlich daran erinnern könnte, dass ich die alte EOS 400D mitnehmen muss, um sie C wieder zu geben... Nix! :-D

Fazit: Als es noch keine Handys habe und auch keine PDAs, da war das der Versuch, etwas Ähnliches zu bauen. Damals, als wir alle noch dachten, dass das voll sinnvoll wäre, sowas digital zu verwalten. Es stellt sich raus: Ohne Internet und Cloud, ja nicht mal mit einer Synchronisation mit dem PC, ist das eher eine Spielerei denn einer echten Anwendung. Ja, es mag Menschen gegeben haben, die sowas ernsthaft benutzt haben, aber mal ganz ehrlich: Das waren Yuppies, die eh nix besseres zu tun hatten, oder nerdige Spielkinder, die zu viel Star Trek geguckt haben. (Also, letztere wären dann meine Zielgruppe!) ;-) Denn ein einfacher Kalender aus Papier im Taschenformat ist kleiner, leichter, einfacher zu bedienen, braucht keine Batterien und wenn man ihn verliert, sind nicht hunderte von D-Marken weg. Das Teil stammt aus einer Zeit, als Hersteller noch Geräte entwickelt haben, die innovativ sein wollten, aber nur einen begrenzten Mehrnutzen hatten. Trotzdem haben sich die Teile verkauft und das ist ja jetzt nicht das einzige Beispiel, ganz im Gegenteil. Wenn ich mich an meine Jugend erinnere und die Conrad- und Völkner-Kataloge, da gab es seitenweise diese Geräte von diversen Anbietern. Die hätten die ja nicht gebaut, wenn die keiner hätte haben wollen. Also schon eine sehr seltsamen Geschichte, als wir noch Technik gekauft haben, weil es sie gab und sie spannend war, statt nur aus reinem Nutzen.

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