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Mutters alte Bella

Als ich letztens noch mal bei der Mutter war, um für sie einkaufen zu gehen - ja, wir leben noch immer in Corona-Zeiten -, habe ich einen weiteren Blick in den Keller gewagt. Ich wollte mir nämlich noch mal ihre allererste eigene Kamera angucken: Eine Belora Bella. Das gute Stück stammt aus den späten 1950er Jahren und nimmt ebenfalls Filme im Format 127 (der im deutschen Teil des Handbuchs, das ich im Internet gefunden habe, übrigens als "A 8" bezeichnet wird). Das war damals noch mal richtig modern, kurz bevor sich 35mm so richtig durchgesetzt haben. Allerdings, im Gegensatz zur Yashica, die ich gestern vorgestellt habe, macht die Bella 4 x 6,5 cm Negative. (...oder natürlich auch Positive, wenn man Dia-Filme verwendet.)

Die Mutter erzählt immer, dass sie die Kamrera damals von meinen Großeltern geschenkt bekommen hat, als sie nach Borkum gefahren ist. Somit hat sie also auch einen emotionalen Wert für sie, weshalb ich auch hoch und heilig versprechen musste, sie gut zu behandeln und vor allem auch wieder mit zu bringen, wenn ich damit fertig bin! ;-) Aber ich finde die einfach aufgrund ihrer Einfachheit so faszinierend, dass ich sie mir jetzt mal genauer vornehmen musste. (Dazu später mehr.) Und wenn ich ihr dann vielleicht auch noch Bilder präsentieren kann, die ich mit ihrer Kamera gemacht habe, ist das vielleicht auch noch mal etwas Besonderes. Hoffe ich mal.

Aber jetzt erst mal drei Fotos: Wie man sieht, ich habe spannende Sachen vor. Deswegen habe ich die Aufnahmespule (die Glücklicherweise noch vorhanden war; ich habe trotzdem eine von denen genommen, die ich von T bekommen habe) schon mal etwas modifiziert und das Fensterchen für die Foto-Nummer auf der 127-Film-Rückseite schon mal mit einem Taschentuchstück gestopft und dann mit Isoband abgeklebt. Denn sobald die nächste Lieferung ankommt, werde ich den billigsten 35mm Film, den ich bekommen konnte, da rein stecken und mal ein paar Testbilder machen. (Die verbogenen Büroklammern an der Spule sollen einerseits dafür sorgen, dass der Film einigermaßen gerade aufgewickelt wird, damit er nicht allzu schief belichtet wird - dafür die gelbe und die orange -, sowie dafür, dass er sich auch fest auf die Spule wickelt, denn die Andruck-Klammer, die in der Kamera vorhanden ist, ist natürlich auf den viel dickeren, mit Papierrückseite versehenen 127er Filme ausgelegt.)


Wenn es dann so weit ist, bin ich echt gespannt, was dabei raus kommt. Denn: Es gibt genau zwei Blenden-Einstellungen, f/8 und f/11. Letztere ist einfach als Klappmechanismus ausgeführt, ein Metallblech mit minimal kleinerem Loch, das vor die eigentliche Blende geschoben wird. Außerdem gibt es auch nur zwei Belichtungszeiten: 1/50s und 1/100s. (Naja, und "B" für Dauerbelichtungen, aber ich hatte jetzt nicht vor, mit einem Stativ und einer Stoppuhr im Dunklen Bilder zu machen. Obwohl... ;-))

Zwei Blenden und zwei Zeiten ergeben zusammen vier Kombinationen: Die hellste wäre f/8 bei 1/50s, was für Innenräume selbst mit einem 800er-Film gewagt wäre, aber gerade noch so ginge; die dunkelste ist 1/100s bei f/11, was für Fotos im strahlenden Sonnenschein (so wie gestern, als ich die Fotos da oben gemacht habe) und einem 100er Film ziemlich okay wäre. Bleiben noch f/11 bei 1/50s und f/8 bei 1/100s, die vor allem von der Belichtung her mehr oder weniger gleichwertig wären, also sind es eigentlich nur drei Kombinationen, aber so genau nehme ich das heute mal nicht. ;-)

Ach ja, und die Linse ist etwas trübe, da hat sich von innen irgendein Schlier abgesetzt in den letzten 60 Jahren. Es sieht nicht wie Fungus aus, sondern eher wie einsetzende Linsenseperation. Wenn die den gleichen Kleber verwendet haben wie am Rest der Kamera, durchaus möglich, der ist auch in den letzten 60 Jahren nicht besonders gut gealtert. Aber vielleicht ist es auch einfach nur Dreck Patina. Von hinten komm ich an die Linse ja nicht ran, um das genauer zu inspizieren, man kann das Objektiv ja nicht abnehmen.

All dies zusammen sind die Gründe, weshalb ich erstmal keinen teuren 127er Film verbraten will - die kosten ab 11€ aufwärts für dann 8 Bilder. (Daher wahrscheinlich die 8 in der Filmbezeichnung.) Ein billiger 35mm-Film tut da nicht so weh, der kostet keine 4€, selbst mit Versand. Und ich muss auch niemanden suchen, der mir so ein seltsames Format wie 127 überhaupt entwickelt! (Allerdings fallen Großlabore wahrscheinlich weg, weil die vollautomatischen Maschinen wahrscheinlich einen Herzinfarkt kriegen, wenn sie 6,5 cm lange und dann auch noch über die gesamte Breite von 3,5cm (insbesondere noch die Transportlöcher hinaus) belichtete Fotos auf dem Film finden. ;-) Aus dem Grund würde ich ihn dann auch gerne selber schneiden.)

Als zusätzliche Herausforderung muss ich das Filmtransporträdchen immer vollständig nach Gefühl vorwärts drehen. Zweieinhalb Rotationen sollte nach meinen Messungen gerade genug sein. Hoffe ich. Mal sehen. Ich habe schon mal in weiser Voraussicht eine Markierung mit Edding angebracht. (Ja, das geht auch wieder ab, zB mit einem Radiergummi.) Apropos Herausforderungen, am Ende nicht vergessen: Wenn der Film dann fertig belichtet auf der Spule aufgewickelt ist, kann ich ihn nicht in der Kamera zurück spulen. Dann muss ich also im Heizungskeller die Beleuchtung der Heizung abdecken und in der resultierenden absoluter Dunkelheit (am Besten noch mit den Händen in einem dunklen Sack) die Rückseite der Kamera öffnen und den Film händisch wieder zurück in die 135er Patrone drehen. Ohne ihn zu viel anzugrabbeln und/oder mit den gebogenen Klammern zu verkratzen. Heißa, da freu' ich mich schon drauf! ;-)

Fazit: Ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte! Ich hoffe, sie funktioniert noch!

PS: In dem gleichen Betriebsanleitungsscan habe ich übrigens dann noch heraus gefunden, dass die Firma Bilora ihren Sitz und ihre Produktionsstätte in Radevormwald hatte. Das ist ja nur einen Steinwurf von Remscheid entfernt. Es ist also durchaus möglich, dass die Großeltern damals schon das heute so beliebte "buy local" angewandt haben und die Mutter genau deswegen dieses spannende Stück Technik geschenkt bekam. Und was noch erschreckender ist, die Firma gibt es heute noch. Zwar bauen die seit 1975 keine Kameras mehr, aber Name und Produktionsort haben sich trotzdem gehalten. Erstaunlich. Und der Firmensitz (wahrscheinlich ist die Verwaltung gemeint) ist laut Wikipedia jetzt direkt in Remscheid. Noch erstaunlicher. ;-)