Skip to content

Kleinere Reparaturmaßnahmen

Wo ich gerade dabei war: Ich habe dann mal den Balgen an der unbekannten Kamera wieder befestigt. Dazu habe ich mir als erstes Mal genau angeschaut, was da abgeht. Die Verklebung, die den (papierdünnen) Balgen an der Frontplatte befestigt hatte, scheint über die Jahrzehnte einiges an Feuchtigkeit angezogen zu haben. Denn nur dort, wo sich diese befand, hat der Rost sich bis tief ins Metall gefressen. Oder vielleicht waren da irgendwelche anderen oxidierenden Komponenten drin, wer weiß, was die damals verbaut haben.


Bei dieser Inspektion wurde mir dann schnell klar: Da klebt nichts anders drauf, das muss erst mal runter. Zuerst habe ich es mit einem Wattestab in WD40 versucht, aber außer Fusseln im Rost hat das nichts gebracht. Dann bin ich auf Alkohol gewechselt, um das WD40 wieder weg zu bekommen, denn da klebt bekanntlich ja auch nichts drauf. Schweren Herzens habe ich also den Dremel ausgepackt und mit dem feinen Polierkopf und mäßigem Druck den Rost so lange bearbeitet, bis der Stahl darunter zum Vorschein kam.

Das ging ganz gut und dann habe ich das gleiche auf der anderen Seite, also am Ansatz des Faltbalgens versucht. Da klebten nämlich genau so viele Krümel dran rum. Danach habe ich ein paar Streifen Teppichklebeband angebracht. Das kann man nämlich relativ rückstandsfrei wieder los werden, wenn es nicht funktioniert. Und das war auch ganz gut so, denn: Hat nicht funktioniert. Am Balgen wollte es nicht kleben bleiben. Deswegen habe ich dann das schwerere Geschütz aufgefahren.


Für solche Zwecke habe ich ja mal vor längerer Zeit eine große Flasche Flüssigkatex angeschafft. Das wird ja auch nicht besser, muss auch mal verwendet werden. Hier gilt das gleiche: Das Zeug ist relativ neutral und wenig aggressiv, löst also den alten und empfindlichen Balgen nicht auf. Außerdem kann man das im getrockneten Zustand recht simpel einfach wieder abziehen. Also habe ich flugs ein bisschen von dem Zeug auf der Innenseite aufgepinselt und dann den Balgen angedrückt. Das Praktische ist, dass ich während der Trockenphase keine Klammern oder sowas brauchte, weil ich die Kamera einfach zuklappen konnte. Und was soll ich sagen: Das hält bombenfest. Außerdem kann so an die frei gerubbelten Stellen, an denen jetzt kein Lack mehr dran ist, keine Luftfeuchtigkeit mehr dran kommen. Also hoffe ich mal, dass es auch nicht weiter rostet.

Bleibt die Tatsache, dass der Schirm, bestehend aus eine angeätzten Glasscheibe, bei etwa einem Drittel abgebrochen ist. Mit dem bisschen, was davon noch übrig ist, konnte ich aber zumindest die grundsätzliche Funktionstüchtigkeit und Lichtdichtigkeit testen. Natürlich steht das Bild in der Kamera Kopf. Und spannend ist es auch nicht, einfach nur der übliche Blick auf Kuhweid. ;-)


Heute morgen habe ich dann mal das Maßband genommen und abgemessen, was denn das Format des Mediums wäre, das man mit so einer Kamera belichten kann. Wie man aus der hoch professionellen Zeichnung da unten entnehmen kann, war die Breite des Schirms wohl mal so um die 52mm und die Höhe ungefähr 41mm. Das entspricht etwa 2⅛ x 1⅝ Zoll. Was mich nach ein bisschen Recherche zum Sixteenth Plate Format geführt hat, also einem 16tel der originalen Nassplatten-Größe. Halte ich persönlich für ein sehr seltsames Format, aber was weiß ich schon?!

Das wiederum hat mich dann auf Aspekte der Fotografie gebracht, über den ich bisher noch nicht so viel gehört hatte: Tintype und Ferrotype. Ich war mir zwar bewusst, dass noch weit bis ins 20ste Jhd. hinein auf Jahrmärkten oder ähnlichen Veranstaltungen Portraits der Besucher angefertigt wurden, und zwar auf Metallplatten. Diese wurden mit einer Lichtempfindlichen Silber-Schicht (Nitrat?) beschichtet und konnten relativ einfach entwickelt werden, sodass die Kundschaft die fertigen Bilder praktisch direkt mit nach Hause nehmen konnten. Der Trick dabei war, dass die belichteten und entwickelten Silber-Stellen tatsächlich heller erschienen als die dunkle Platte aus Metall, sodass man ohne großen Aufwand einen Positiv-Eindruck erhielt, obwohl man eigentlich ein Negativ betrachtet. Also, so verstehe ich jedenfalls die diversen Artikel und Webseiten, die ich zwischenzeitlich zu dem Thema gelesen habe. Über den Zusatz verschiedener (giftiger) Substanzen (Cyanide?) wurde dieser Effekt noch verstärkt.


Und ich glaube, dass ich genau so ein Teil hier in den Händen halte: Eine alte Kamera für Tintype. Das würde erklären, weshalb man den Schirm relativ einfach und kompliziert abziehen kann, um eine beschichtete Platte einzusetzen. Die kleinen Portraits waren wohl am Ende des 19ten Jhds. sehr beliebt. Wenn man Tyntype oder Ferrotype bei eBay eingibt, bekommt man jedenfalls einen Haufen kleiner Porträtfotografien angeboten, die die Jahre erstaunlich gut überstanden haben. Denn im Gegensatz zu Papierfotos, die früher oder später weg rotten, sind diese Bilder auf Metallplatten ziemlich beständig dem Zahn der Zeit gegenüber.

Ich habe sogar ein, zwei Angebote gefunden, in denen man einen passenden Plattenhalter erwerben könnte. Sind leider sehr teuer oder in UK, was den Versand erschweren würde. Aber ich muss mal auf den kommenden Flohmärkten die Augen offen halten, vielleicht findet man da sowas ja auch. Wäre jedenfalls extrem interessant, wenn man da einfach einen Bogen Film einspannen könnte. Oder auch einfach nur ein Fotopapier, das ich dann nachher entwickeln könnte. Oder ich bastel mir was aus schwarzer Pappe und stecke ein Stück 35mm Film rein! Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt! ;-)

Insgesamt also ein sehr interessanter Kaninchenbau, in den mich diese kleine Kamera also geführt hat.