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75 Jahre Grundgesetz

Heute mal wieder ungewöhnlich politisch. Der Anlass: Heute vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland erlassen und trat um Mitternacht in Kraft. Aus diesem Anlass meinen ja wieder Hinz und Kunz, ihren Senf abgeben zu können. Warum also nicht auch ich?

Wenn man mal so drüber nachdenkt, sind 75 Jahre gar nicht so lang. Die Altvorderen sind älter das das. Und doch scheint einem 1949 so weit entfernt zu sein. Und doch so nah. Wenn ich mir die politische Landschaft zZt so anschaue, mit der Zersplitterung der Gesellschaft - rechten Horrorphantasien auf der einen und dem großen Bruder im Osten blind Ergebenen auf der anderen Seite, zwischendrin Wutbürger, Aluhutträger, Reichsbürger und Esoterik-Gläubigen -, könnte man meinen, es wäre wieder Weimar. Dazu ist gerade Europa-Wahlkampf und überall sehe ich zerrissene und besprühte Wahlplakate... Früher war das mal das ein oder andere österreichische Schnurrbärtchen, aber die Parolen, die manche Leute heutzutage wieder in aller Öffentlichkeit kundtun, da kann einem schon Angst und Bange werden. Das Internet, diese Große Leere, in die heutzutage alle hinein schreien, hat die Menschen scheinbar komplett entfiltert und radikalisiert.


Man mag ja nicht immer mit den Aussagen mancher Parteien übereinstimmen, aber das geht dann doch ein bisschen weit. Leider ist das sogar noch eher harmlos, da habe ich dieses Jahr sehr viel schlimmere Verunstaltungen und Diffamierungen sehen müssen. Leute, beruhigt euch mal wieder! Auch Politiker sind Menschen und sollten wie solche behandelt werden! Gewalt gegen Andersdenkende hat in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz!

Aber ist dem wirklich so? Denn gleichzeitig scheint der Zusammenhalt der Leute, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, immer stärker zu werden. Das habe ich Anfang des Jahres gesehen, als überall gegen die völkischen Wahnvorstellungen der Blauen demonstriert wurde. (Ich wusste gar nicht, dass sich die sogenannten bürgerliche Mitte so mobilisieren lässt.) Das sieht man, wann immer mal wieder irgendwo Landunter ist und alle mit anpacken. (Vom kleinen Handwerker bis zum Fabrikchef machen alle mit.) Und das sind nur die Dinge, die man im Fernsehen sieht. Nebenbei engagieren sich so viele Menschen (ehrenamtlich neben ihrem Beruf oder in ihrem Beruf) politisch oder sozial, dass ich mich manchmal frage, wie die diese ständigen Anfeindungen durchhalten. (Ich würde gerne aus den eMails zitieren, die unser Bürgermeister wohl tagtäglich bekommt, aber ich möchte hier keine Hate Speech verbreiten.)

Wie steht es also um unser Grundgesetz und den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Ich glaube, gar nicht so schlecht, wie viele glauben. Ja, wie leben in erstaunlich totalitären Zeiten, aber wir haben zum Glück eine recht liberale und flexible Verfassung, die die Zeiten recht gut überstanden hat. Nach den Irrungen und Wirrungen zwischen Weimarer und Bundesrepublik ist das eine echte Errungenschaft. Das entschiedene "Nie Wieder" zieht sich als Leitfaden quer durch das Grundgesetz. Und auch, wenn viele Menschen unzufrieden sind oder sich abgehängt fühlen, ist das doch noch immer etwas, worauf sich die große Mehrheit der Gesellschaft verständigen kann.


Das Grundgesetz: Einfach mal wieder rein lesen. Mein erstes Exemplar habe ich in den 1990ern in der Schule bekommen. Ist schon ein bisschen veraltet. Dieses Exemplar hat gerade die Schwiegermutter hier abgegeben, sie hat es von der AWO bekommen.

In diesem Sinne: Wenn in zweieinhalb Wochen Wahlen sind, geht hin und macht euer Kreuzchen! Besonders die Jugend, die dieses Mal schon mit 16 wählen darf, möchte ich dringend dazu auffordern. Einfach schon als Gegengewicht zu den alten, weißen Säcken wie mich! Demokratie lebt vom Mitmachen!