Wie ich vor einigen Monaten berichtet habe, hatte ich ja für einige Zeit eine
EOS 10s in meinem Besitz. Nachdem ich mit Testen und Bewerten fertig war, hatte ich die meinem Kunden bereits zurück gegeben, bevor ich mir das dazugehörige Sigma 28-70mm f/2.8 mal genauer angeschaut hatte. Und zwar habe ich mir erst die Erlaubnis eingeholt und dann einen passenden Schraubenzieher, um das Objektiv mal von seiner Bajonett-Seite zu öffnen und zu schauen, ob man denn da gar nichts mehr machen kann.
Wie man sieht, nach ein bisschen suchen nach dem Klappern fand ich dann auch schnell das verlorene Zahnrad der Blendensteuerung - siehe roten Kringel im zweiten Bild. Dieses hat, wie man dann in den nächsten Bildern vielleicht sehen kann, einen Riss an einer Seite und hält deswegen nur noch so mittelprächtig auf der dafür vorgesehenen Achse. Das wird wahrscheinlich auch der Grund gewesen sein, dass es abgesprungen und irgendwo in den Untiefen der Zoom-Mechanik verschwunden ist. Mit einer Pinzette konnte ich es jedenfalls heraus fischen.
Nachdem mir klar wurde, dass das so nicht mehr hält, habe ich erst mal für zwei, drei Tage immer mal wieder das Internet nach einem Ersatz durchforstet. Es gibt tatsächlich Anbieter, die einem ein neues Zahnrad in beliebiger Größe sägen können. Die habe ich mir dann mal gebookmarkt. Jedoch: Ich habe keine Schieblehre, mit der man die Dimensionen eines solchen Kleinteils tatsächlich präzise abmessen könnte. Mal ganz von der Zahnsteigung und sowas abgesehen. Wenn man dann solch ein Ersatzteil ordert, sollte es auch passen. Eines, das als passend für dieses Objektiv angeboten wird, habe ich jedenfalls nicht finden können.
So habe ich dann doch erst mal zum Plastkkleber gegriffen und den kleinen Riss mit einem dicken Blobb zugeklebt und dann das Zahnrad sanft in eine Zange eingespannt und den Riss so zu gedrückt. Erstaunlicher Weise hat das relativ gut geklappt: Überstehende Reste des Klebers habe ich mit der feinsten Feile, die ich finden konnte, entfernt. Danach habe ich es vorsichtig, damit der Riss nicht direkt wieder aufplatzt, so auf die Achse platziert, dass die Klebestelle möglichst niemals tatsächlich an dem anderen Zahnrad vorbei muss. Das geht, denn um die Blende von "ganz zu" auf "ganz auf" zu drehen, sind nur etwa 270° nötig. Mit einer Pinzette konnte ich jedenfalls so die Blende einwandfrei mit Hilfe des nächsten Zahnrads in der Reihe bewegen.
Bei nächster Gelegenheit habe ich dann die Passende EOS wieder beim Kunden eingesammelt und bin jetzt dabei, das Objektiv zu testen. Leider muss ich sagen, dass es trotz dieser Reparatur mindestens zwei große Probleme hat:
1.) Die vorderste Linsengruppe, die im Fokusring steckt, lässt sich mit diesem leider um gut zwei, drei Millimeter vor und zurück bewegen. Die Fixierung des Fokusrings ist somit nicht mehr gegeben, er schwebt sozusagen frei in seiner Fassung. Da ist wahrscheinlich auch irgendwas abgebrochen, wo ich so einfach aber von hinten nicht dran komme. Die Schrauben für den Fokusring sind wahrscheinlich irgendwo unter der Gummierung versteckt. Und selbst wenn ich mir zutrauen würde, das zu öffnen, ich habe nicht die nötige Ausrüstung, um die Linsengruppe wieder korrekt einzumessen. Die muss nämlich genau in der richtigen Entfernung justiert werden, damit man einerseits ein scharfes Bild auch bei Unendlich bekommt - so war mir das nämlich aufgefallen: Der Autofokus schlägt am Ende an, aber das Bild ist noch nicht scharf - andererseits muss sie vor allem wieder genau ganz gerade da rein, sonst hat das Bild nachher einen gewissen Astigmatismus. Als jahrelanger Brillenträger kann ich bestätigen, wie nervig bereits kleinste Abweichungen sein können.
Dieses Problem ist allerdings kein Deal Breaker: Man kann die Linsengruppe einfach wieder bis zum Anschlag in das Objektiv rein schieben. Dann fokussiert der Autofokus (oder der geneigte manuelle User) zwar ein kleines Stück vor der Unendlich-Markierung auf unendlich, aber solange das Bild scharf ist, wen kümmerts? Probleme kriegt man nur, sobald man ca. 20°-25° oder mehr nach unten fotografieren möchte, denn dann übernimmt die Schwerkraft und zieht einem immer wieder die relativ schweren Linsen nach vorne raus. Bei gewissen Abständen bekommt man so einfach kein scharfes Bild und ist gezwungen, auf manuellen Fokus zu wechseln und dann die Linsen vorne ungefähr so festzuhalten, wie man sie braucht. Für einen Bastler wie mich ist das vielleicht noch gerade so akzeptabel, aber jemand, der sich darauf verlassen will, dass man immer ein scharfes Bild erhält, wird spätestens jetzt raus sein.
2.) Eigentlich sind alle anderen Ringe, Abstände und Spiele auch mehr oder weniger dejustiert: Das Objektiv biegt sich unter dem eigenen Gewicht immer ein bisschen nach unten durch. Man ist also gezwungen, immer einen gewissen Druck von vorne nach hinten aufrecht zu erhalten, damit alles einigermaßen gerade bleibt. Gepaart mit dem Problem 1.) ist das nicht gut. Gar nicht gut. Eher schlecht, um es mal so offen zu sagen.
Ein Profi mit der richtigen Ausrüstung könnte das wahrscheinlich alles in einer Stunde erledigen, aber ich bin nur ein Semi-Profi und habe definitiv nicht die korrekten Tools. So bleibt leider nur als Fazit zu sagen: Kaputt! Was einigermaßen Schade ist: Ich habe jetzt ca 2/3 des Films durch die Kamera gespult und es ist ein recht praktisches Zoom. Ich bin ja nicht mehr so der Freund von Zoom-Objektiven, seit ich meine erste Festbrennweite gekauft habe. Aber mit f/2.8 ist das Ding recht lichtstark und bekommt vielleicht sogar sowas wie ein Bokeh hin.
Die größten Nachteile dieses Objektivs sind allerdings - neben den Defekten, die ich oben beschrieben habe - die Größe und das Gewicht. Mit einem Filterdurchmesser von 72mm ist das Ding riesig. Und lang ist es auch noch. Und mit seinen 13 Linsen (in 10 Gruppen) ist es schwer. 620g, um genau zu sein. Das Body wiegt ungefähr genau so viel, das heißt, wenn man sich die Kombination um den Hals hängt, ziehen einen gut 1,3 kg nach vorne. Hallo-ha!
Zur Build Quality kann ich nicht viel sagen, immerhin habe ich hier ein ziemlich in Mitleidenschaft gezogenes Exemplar. Grundsätzlich habe ich ja Probleme mit Objektiven, in denen so viel Elektronik steckt: Es gibt einen Motor für die Blende und einen für den Fokus, diverse Chips, die das ganze steuern, kann alles kaputt gehen und ist wahrscheinlich Unobtainium. Außerdem die ganze Mechanik, die da drin steckt, etwa die vielen kleine Zahnräder aus Plastik. Es ist ja eine Sache, wenn man ein handliches kleines 50mm in Vollplastik baut, aber so ein Monster hätte schon was stabileres verdient. Dann würde es aber bestimmt ein Kilo wiegen! Jedenfalls: Gepaart mit der Größe und dem Gewicht schräkt das die Lebensdauer doch sehr ein.
Meine abschließende Bewertung werde ich dann kundtun, wenn ich die Bilder aus der Entwicklung zurück habe. Die einschlägigen Seiten sind jedenfalls nur mäßig begeistert von der Bildqualität. Gut, das sind oft auch Leute dabei, die zu viel verlangen. Ich bin also mal gespannt, was am Ende rum kommt und ob bei den vielen Problemen, die ich oben beschrieben habe, überhaupt was Scharfes dabei ist!