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Über die Sinnlosigkeit der Blendenverriegelung an Nikon AF Objektiven

Danke, dass Sie sich so zahlreich versammelt haben. Heute möchte ich einen kurzen Vortrag über die Sinnlosigkeit der Blendenverriegelung halten, welche die Firma Nikon irgendwann Ende der 1980er, aber spätestens in den frühen 1990ern zusammen mit ihren Autofokus-F-Bajonett-Objektiven eingeführt hat. Ich weiß nicht, ob irgend eine andere Firma auf eine ähnliche Idee gekommen ist, ich bin halt seit meiner Jugend Nikon-abhängig und weiß deshalb nur von denen. Ich glaube aber, dass Nikon da wohl die Einzigen waren.

Die Idee dahinter war folgende: Das AF-System damaliger Kameras wollte gerne Offenblendenmessungen machen können; je mehr Licht, desto präzisere Messungen. Jeder, der schon mal Zooms benutzt hat, deren kleinste Offenblende jenseits von f/5,6 liegt, weiß warum: Zumindest auf den älteren und günstigeren Analogkameras hat man dann bei schlechtem Licht gerne mal das Problem, dass der Fokusring auf der Suche nach der "richtigen" Einstellung von Anschlag zu Anschlag hin und her tanzt und am Ende einfach aufgibt und man dann doch manuell fokussieren muss. f/5,6 war bei meiner F601 jedenfalls die magische Grenze bis zu der es zumindest meistens funktioniert hat, wenn das Licht OK war; mein Tamron-Reisezoom mit f/6,3 bei 300mm hatte auf der analogen mächtig Probleme und selbst die D100 war manchmal sehr unglücklich. Auf Grund der 1,5x Verlängerung durch den APS-C Sensor habe ich da glücklicherweise seltener die 300mm gebraucht. (Da war der Weitwinkelbereich eher mein Problem, weil es den einfach nicht gab.)

Das Ganze da oben ist natürlich ein bisschen gelogen: Man wollte auch früher schon mit offener Blende scharf stellen, zum Einen, damit das Sucherbild möglichst hell ist, zum Anderen weil dann die Tiefenschärfe am geringsten ist und man so ganz deutliche sehen kann, wo der Fokus tatsächlich liegt. Deswegen waren auch schon Objektive für prä-AF F-Mount (und Konkurrenzsysteme wie zB M42 Auto Objektive) darauf ausgelegt, dass die Kamera die Blende über einen kleine, innen liegende Hebel auf den gewünschten, am Ring eingestellten Wert einstellen kann. Dafür muss bei Nikon-Objektiven am Ring aber die kleinstmögliche Blendenöffung (größte Zahl) eingestellt sein, also zB f/16 bei meinem 50mm oder f/32 bei meinem Tele; beim Aufschrauben auf das Body bleibt der kleine Hebel in der Kamera am Gegenstück hängen und zieht die Blende auf das Minimum auf, währen genau dieses Gegenstück beim Auslösen bis zur gewünschten eingestellten Blende abblendet. Dafür haben alle AF-Objektive zusätzlich diese kleinen Kontakte im Anschluss, damit die Kamera auslesen kann, was jeweils die kleinste und die größte Blende ist, um den richtigen Wert im Sucher anzeigen zu können. Modernen Kameras kann man so auch alte Objektive beibringen, indem man die Brennweite und den kleinsten Blendenwert im Menü einstellt; tut man dies nicht, zeigt der Sucher nur Delta-Werte an: Steht die Blende auf dem kleinstmöglichen Wert, zeit sie Δ0 an und für jeden Blendenklick entsprechend Δ1, Δ2 usw.

Die findigen Ingenieure haben sich also gedacht: "Da die meisten Leute eh die Programm-Automatik benutzen werden und dafür die Blende auf dem größten Wert (kleinste Blendenöffnung) eingestellt sein muss, bringen wir doch eine kleine Verriegelung an unseren Objektiven an, damit man - zB beim Aufsetzen des Objektivs - nicht aus Versehen den Blendenring dreht und dann die Kamera nicht auslösen kann." Viele Objektive haben so zB einen kleinen Schiebeschalter, mit dem man den Blendenring verriegelt. Ist ja eigentlich nett gedacht von denen.

Das Nikkor AF 85mm f/1.8 hat hingegen einen Druckschalter: Sobald man die Blende auf f/16 dreht, rastet dieser ein und man kann den Ring erst wieder drehen, wenn man gleichzeitig diesen Taster drückt. Dieser steht ein ganz kleines bisschen aus dem Gehäuse heraus, sodass er immer und immer wieder an der Tasche hängen bleibt, wenn man das Objektiv heraus holt oder weg steckt. Außerdem ist er aus Plastik; Plastik, das jetzt sicher bald 30 Jahre alt wird. See where I'm going with this?


Natürlich ist mir letztens der Pin abgebrochen! Hrmpf! Wäre ja alles nicht so schlimm, wenn ich das Objektiv immer in der Zeit- oder Vollautomatik an der Digitalkamera verwenden würde: Ich ließe es einfach auf f/16 verriegelt und gut ist. Jetzt bin ich aber jemand, der auch noch analog fotografiert und die F601 hat nur ein Drehrad für die Zeit, keines für den Blendenwert, den muss man ganz klassisch am Objektiv einstellen. Klar könnte ich jetzt meine D610 umstellen, dass ich den Wert dort auch über den Ring einstelle, aber das würde bedeuten, dass ich mich wahrscheinlich so daran gewöhnen würde, dass ich ständig beim 50mm G nach dem nicht vorhandenen Ring suchen würde! Ich kenn' mich doch!

Also: Etwas doppelseitiges Teppichklebeband, ein Stückchen von dem Plastikröhrchen eines Q-Tip, fertig ist das Provisorium. Wenn das so hält: OK. Wenn es sich als praktikabel erweist, das doppelseitige Klebeband aber - wie zu erwarten - irgendwann aufgibt, werde ich das mit einem Tropfen Plastikkleber fest machen. Und wenn ich mal zu viel Geld und Zeit habe (also wahrscheinlich zur gleichen Zeit, wenn Schweine fliegen lernen), frage ich mal bei Nikon nach, ob man ein passendes Original-Ersatzteil bekommen kann. (Ich bezweifle es, die haben durch die Mirrorless-Revolution gerade ganz andere Probleme.) Am liebsten würde ich diesen Mechanismus gerne komplett los werden, der ist mir nämlich von Anfang an auf bestimmte Körperteile gegangen (siehe Titel des Eintrags), aber dafür müsste ich das gute Teil ein ganzes Stück weit auseinander nehmen und modifizieren, das will ich dann doch vermeiden.


Bis dahin werde ich also mit diesem Provisorium leben. Ansonsten folgt jetzt noch ein kleiner Rant zum Thema "fehlender Blendenring an den neueren G-Objektiven, nur um eine gewollte Inkompatibilität mit älteren Kameras zu bekommen, damit die Leute neues Glas kaufen gehen." Das wiederum ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal von Nikon, das haben Canon und Minolta/Sony schon früher gekonnt, soweit ich weiß... Gut, die letzteren beiden haben auch ihren Kamera-Bajonett-Anschluss komplett umgebaut, als sie zu AF gewechselt sind, insofern muss man Nikon ja schon dankbar sein, dass sie nicht das Gleiche gemacht und die Objektive zumindest ansatzweise kompatibel gehalten haben...